Gemeinschaftsprojekt „Stadtwiesen statt Rasen“

Arten- und strukturreiches Grünland ist in den letzten Jahrzehnten großflächig aus der Landschaft verschwunden, und damit viele heimische Pflanzen und Tiere. Das Modellprojekt „Stadtwiesen statt Rasen“ des NABU AK Park und Friedhof will blütenreiche Mähwiesen wieder in das Lebensumfeld der Menschen zurückbringen.

Wer sich heute an die eigene Kindheit zurückerinnert, an diejenigen Orte, die uns besonders wichtig waren, der sieht nicht selten Naturbilder einer vergangenen Zeit vor sich: der alte Kletterbaum, auf dem wir einst in den Himmel kletterten, die Pferdeweide, die im Frühsommer voller Butterblumen stand, der Wald, in dem es sich so vortrefflich Hütten bauen ließ, oder die kornblumengesäumten Felder, durch die wir auf unseren Abenteuern pirschten. Viele dieser Orte sind längst einer Zeit zum Opfer gefallen, in der Natur und Landschaft einen marktwirtschaftlichen Wert zugewiesen bekommen haben, der sich allein nach dem Produktionspotential für die moderne Wohlstandsgesellschaft richtet.

Wo Bläulinge flattern, finden sich struktur- und artenreiche Lebensräume für Insekten und co. Foto: Anne-Marie Kölbach
Wo Bläulinge flattern, finden sich struktur- und artenreiche Lebensräume für Insekten und co. Foto: Anne-Marie Kölbach

Aber nicht nur das Land verliert seine lebendige Natur. Gerade für Kinder, die in der Stadt aufwachsen, bieten sich im urbanen „Dschungel“ heute kaum noch Berührungspunkte mit echter Natur. Im Spannungsfeld zwischen städtischer Nachverdichtung und formaler Durchgrünung bleiben wilde Flecken meist auf der Strecke: Brachflächen werden zunehmend in Baugrund umgewandelt, und unsere Parks und Grünräume behandeln wir nicht viel anders als die Agrarlandschaften vor der Stadt. Was nicht nützt, kommt weg! Wann haben wir zum letzten Mal einen Schmetterling durch die Grünflächen der Stadt fliegen sehen? Einen blauen vielleicht? Oder einen kleinen feuerroten? Die Wahrscheinlichkeit ist gering.

Dabei könnten wir in unseren Städten leicht etwas ändern. Viele Grünräume, besonders am Rande der Parks, werden nicht oder kaum genutzt. Mit dem Stadtwiesen-Projekt wollen wir an dieser Stelle ansetzen und mit den blütenreichen Mähwiesen der vormodernen Zeit ein Stück Artenreichtum nach Köln zurückholen, den viele Menschen heute kaum noch kennen. Auf zwei Pilotflächen wollen wir in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem Amt für Landschaftspflege und Grünflächen aus artenarmen, intensiv gepflegten Parkrasen artenreiche Wildblumenwiesen machen.

Standort der Aachener Wiese an der Kreuzung Aachener Straße/Innere Kanalstraße nördlich des Aachener Weihers
Standort der Aachener Wiese an der Kreuzung Aachener Straße/Innere Kanalstraße nördlich des Aachener Weihers

An der Aachener Straße/Innere Kanalstraße, am Eingang zum Inneren Grüngürtel, legen wir auf etwa 2200m2 die „Aachener Wiese“ an. Hier werden die Aktiven des NABU AK Park und Friedhof in den nächsten zwei Jahren die Initialpflege der Wiese übernehmen, um die ausgesäten Wildblumen zu fördern und die junge Pflanzengemeinschaft zu einer stabilen Wildblumenwiese zu entwickeln. Ein Schwerpunkt wird hier darauf liegen, die für die Wiesenentwicklung optimalen Mahdtermine zu bestimmen, die Mahd durchzuführen und das angetrocknete Schnittgut einige Tage später zusammenzurechen, damit die Mitarbeiter des Grünflächenamts es abtransportieren können. Hinweisschilder an der Fläche sowie eine Flyerbox halten für die Parkbesucher*innen erste Informationen zur Aachener Wiese und den Zielen des Stadtwiesen-Projekts bereit.

Standort der Bürgerwiese im Südareal des Bürgerparks zwischen Ossendorf und Bilderstöckchen
Standort der Bürgerwiese im Südareal des Bürgerparks zwischen Ossendorf und Bilderstöckchen

Eine zweite Stadtwiese („Bürgerwiese “) soll auf etwa 4500m2 im Kölner Nordwesten im Bürgerpark Nord entstehen, einer Grünfläche zwischen Ossendorf und Bilderstöckchen, die sich stadtauswärts an den Blücherpark und die nördlich davon liegenden Kleingartenanlagen anschließt. Der Standort der Bürgerwiese liegt im Südbereich des Parkgeländes an einer sanft geneigten Hangfläche. Am Fuße des Hügels befindet sich eine staunasse Senke, die seltener gemäht wird und dadurch einen natürlichen Rahmen für die Wildblumenwiese darstellt. Durch das hangaufwärts ansteigende Bodenprofil der Fläche ergeben sich von verschiedenen Seiten reizvolle Perspektiven, und ein um den Hügel verlaufender Rundweg lädt zu einem gemütlichen Spaziergang entlang der neuen Bürgerwiese ein.

Für beide Standorte haben Experten des NABU spezielle Saatgutmischungen erstellt, die eine breite Palette einheimischer Pflanzen enthalten. Viele dieser Wildblumen sind in den letzten Jahrzehnten großräumig aus dem Rheinland verschwunden, und mit ihnen der Zauber blühender Landschaften. Denn mit ihrer ganz eigenen Schönheit verleihen sie behutsam bewirtschafteten Wiesen ihr charakteristisches buntes Sommerkleid in immer neuen Mustern aus Farbe, Licht und Bewegung. Mit der Anlage der Stadtwiesen sollen solch grazile Schönheiten wie Glockenblume, Kuckucks-Lichtnelke, Flockenblume oder der himmelblau strahlende einheimische Wiesen-Salbei wieder zurück in unser Lebensumfeld geholt werden. Und auch die Blume des Jahres 2016, die Echte Schlüsselblume (Primula veris), darf im Blumenreigen natürlich nicht fehlen und wird uns hoffentlich in den nächsten Jahren mit ihrem goldgelben Frühlingsflor auf den Flächen erfreuen.

In der Debatte um ökologische Formen der Grünraumgestaltung möchte das Stadtwiesen-Projekt mit den Modellflächen moderne und nachhaltige Möglichkeiten aufzeigen, wie wir Stadtnatur als vielfältige Quelle für Erholung, Artenschutz und Ökosystemdienstleistungen in die Kölner Stadtentwicklung integrieren können. Deshalb liegt ein Schwerpunkt der Projektarbeit auf der Erprobung alternativer Bewirtschaftungsformen.

Glockenblumen sind Zeigerarten extensiv bewirtschafteter Wiesen. Foto: A-M Kölbach
Glockenblumen sind Zeigerarten extensiv bewirtschafteter Wiesen. Foto: A-M Kölbach

Die intensive Grünpflege, bei der mehrmals jährlich gemäht wird und das Schnittgut als Mulch auf der Fläche verbleibt, wird dabei auf eine extensive, natur- und ressourcenschonende Grünpflege umgestellt. Durch eine verringerte Mahdfrequenz und das Abräumen des Mähguts von der Fläche wird der konstante Nährstoffeintrag ausgeglichen und einer Vielzahl heimischer Blütenpflanzen ein stabiler Lebensraum geschaffen.


Blühende Stadtwiesen können in Köln einen immens wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Natur leisten. Für die Vielfalt unserer heimischen Pflanzen und Tiere. Und für uns, die wir immer deutlicher fühlen, wie wir mit unseren rein funktionalen, auf Ertrag und Effizienz geeichten Bewertungsmustern und der damit einhergehenden Übernutzung von Land, Boden und Natur den eigentlichen Reichtum unserer Welt aufs Spiel setzen. Eine blühende Wiese besitzt einen Wert, der finanziell nicht zu ermessen ist. Gerade darum brauchen wir sie mehr denn je.

Download
Stadtwiesen_BroschüreNEU_Fin_JUNI.pdf
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Ansprechpartner für das Stadtwiesen-Projekt ist Volker Unterladstetter (volker.unterladstetter{at}nabu-bslk.de). Ausführlichere Informationen zum Projekt und den Wiesenflächen finden Sie in der folgenden Info-Broschüre, die zum Download bereitsteht.


Hier zeigen wir Bilder vom Stand des Wiesen-Projekts